Corona und Klima II

Die Überblendung von Corona Viren und einem ausgetrockneten Boden assoziieren die Themen des Beitrags

Die Corona Diskussion bekommt inzwischen ähnliche Dimensionen wie die über den Klimawandel. Beide behandeln ja auch etwas, das gewissermaßen miteinander verwandt ist. Beide Phänomene entspringen dem, was wir so gerne die Natur nennen, also dem, was immer schon da war, bevor ein Mensch sich darüber wundern konnte, dass da etwas ist – das chaotische, sich selbst regulierende Klimasystem der Erde, das von menschlicher Aktivität verändert wird, und ein Virus – das Ergebnis einer hunderte von Millionen Jahren währenden Evolution, die immer wieder neue Viren hervorgebracht hat. Beides Phänomene, die erst mit modernen Methoden sichtbar gemacht werden können.

Von den Veränderungen des Klimas wissen wir seit über fünfzig Jahren (und reagieren nach wie vor nicht angemessen darauf).

Dass irgendwann eine Pandemie ausbrechen würde, war in wohl jeder weitreichenden Zukunftserwartung enthalten.

Jetzt ist das neue Virus da und hat plötzlich eine potenzielle Fortpflanzungsgelegenheit, deren Anzahl etwa 7,5 Milliarden Menschen beträgt. Das ist eine großartige Gelegenheit für ein Virus – keine Immunität, keine Medikamente, keine Impfung.

Die Art des Virus‘ ist es, sich exponentiell zu vermehren. Exponentielle Vermehrung war diese Sache, die sich kaum ein Mensch vorstellen kann. Aus einem werden zwei, dann vier, dann acht usw. nach relativer kurzer Zeit erreichen die Zahlen schwindelnde Höhen, erreichen sie Größenordnungen, die jegliche Vorstellungskraft überfordern.

Vor demselben Problem steht die Vorstellungskraft, wenn es vor den wahrscheinlichen Auswirkungen der klimatischen Veränderungen steht. „Es kann doch nicht sein, dass aus Italien und Spanien Wüsten werden.“ „Es kann doch  nicht sein, dass Deutschland vor dem dritten Dürresommer in Folge steht.“ „Es kann doch nicht sein, dass so ein blödes Virus das Leben von Millionen von Menschen bedroht.“

Dann liegt es natürlich nahe, z.B. an den Methoden zu zweifeln, die das Phänomen erst auf seinen Grund zurückgeführt haben. Das scheint auch ganz einfach zu sein, denn diese Methoden sind wissenschaftliche Methoden und deren Ergebnisse sind prinzipiell vorläufig und sie bedürfen ebenso prinzipiell der Diskussion. Und natürlich finden sich in diesen Diskussionen auch immer Minderheitsmeinungen (die manchmal und sehr, sehr selten zutreffender sind, als die Meinung des Mainstreams).

Ebenso naheliegend erscheint die Möglichkeit, die Phänomene zu relativieren oder zu verharmlosen. „Das wird schon nicht so schlimm werden.“ „Das gab es doch schon früher.“ „Das ist doch nur eine kleine Grippe.“ etc. pp. Jegliche (unweigerlichen) Abweichungen von den Prognosen können als Begründung dafür herhalten.

Sehr beliebt sind auch Verschwörungstheorien – alles funktioniert nach einem geheimen Plan, der von wem auch immer ausgeheckt wurde. Jedenfalls stecken die Regierung, das internationale Kapital und die Medien unter einer Decke und haben sich inzwischen auch der Mitarbeit von „System“-Wissenschaftlern versichert (wahrscheinlich mit freundlicher Hilfe der Mafia).

Wohlgemerkt: Es ist natürlich sinnvoll und richtig über die Maßnahmen der Regierung zu diskutieren, sie zu kritisieren und zu hinterfragen. Jedenfalls so lange das auf dem Boden von Tatsachen, also von Aussagen über Fakten getragen wird.

Nun kann man schon darüber streiten, ob etwas überhaupt ein Faktum ist (s.o.), und der Streit geht dann richtig los, wenn es darum gehen soll, was diese Tatsachen denn nun bedeuten.

Hier ist niemand vor einem Irrtum gefeit. Die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums erhöht sich sogar, wenn es um die Bedeutung eines völlig neuen Faktums geht – eben um die Existenz des neuen „SARS-CoV-19“ Virus.

Eine spannende Frage zum Irrtum hat sich mir schon zur Klimakatastrophe aufgedrängt. Also einmal angenommen, Greta Thunberg, viele Klimawissenschaftler*innen und Menschen, wie ich einer bin, irren sich. Was wäre die Konsequenz? Wir würden etliche Maßnahmen, wie Verbrennungsmotoren, die bessere Isolierung von Wohnungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen u.v.m. für teures Geld an- oder abschaffen. Wie gesagt, das würde wohl ziemlich teuer werden. Aber immerhin, die Luft wäre sauberer, der Verbrauch von Kohle und Öl würde zurückgehen, es gäbe weniger Straßenlärm usw. usf.

Was aber, wenn sich die Klimaleugner irren? Dann würden wir mit Karacho in eine Zukunft rasen, die wohl mit chaotisch am treffendsten umschrieben wäre.

Und am Beispiel von Corona – also was wäre, wenn z.B. der Shutdown und das Social-Distancing unnötig wären? Wir hätten dann unnötig eine Menge Geld verloren, und keine Frage, diese Situation ist für sehr viele Menschen sehr bedrohlich bis fatal.

Diese Maßnahmen lassen sich also nur im Verhältnis dazu verstehen, was geschehen würde, wenn alles überwiegend so weiter ginge wie zuvor. Und darin sind sich die große Mehrheit der Virolog*innen und Epidemiolog*innen einig. Das Virus würde sich ziemlich schnell und umfassend ausbreiten. In der Konsequenz würde jedes Gesundheitssystem überlastest werden und es würden sehr, sehr viele Menschen sterben – an und mit Corona. Ach ja, und das würde natürlich auch eine Menge Geld verschlingen.

Corona und Klima

der verlorene Handschuh ist ein Symbol für die kalte Hand des Autors

Vergangenen Herbst hatte ich meinen „Holy Shit Moment“. Die erschütternde Einsicht, dass es für die sog. Rettung des Klimas zu spät ist. Ich fühlte mich zutiefst niedergeschlagen, traurig, zornig, ratlos, ohnmächtig – fast gelähmt. Dieser Zustand hielt etwa drei Monate an. Nach und nach habe ich meinen Frieden damit gefunden.

Noch ist es nicht soweit und auch wenn es ganz schlimm kommt, gibt es immer noch etwas Sinnvolles zu tun. Bis dahin lohnt sich der Kampf um jedes zehntel Grad und um die Einsicht möglichst vieler Mitmenschen.

Vor diesem Hintergrund erlebe ich jetzt die Corona Pandemie, und ich muss sagen, ich erlebe sie sehr gelassen. Natürlich habe ich Mitgefühl mit den Betroffenen – mit Kranken, Helfern und den Hinterbliebenen. Ich befürchte, dass sich die Situation noch erheblich verschlechtern wird – in Freiburg, ganz Deutschland und überall auf der Welt. Corona wurde jüngst als eine Naturkatastrophe in Zeitlupe bezeichnet.

Genau das wurde auch schon über den Klimawandel gesagt. Jetzt muss dessen Verlauf wohl als eine Ultra-Zeitlupe bezeichnet werden. Vielerorts noch kaum merklich, aber mit großer Beharrlichkeit.

Ich bin auf den Sommer gespannt. Was wird geschehen, wenn zu Corona und Quarantäne noch die Hitze und die Trockenheit kommen, die der Gesundheit ja auch nicht besonders zuträglich sind?

Anders herum könnte ich auch das Erscheinen von Corona als eine Art Zeitraffer des Klimawandels sehen. Es geschieht so ungefähr das, was mit dem Einsetzen der Klimakatastrophe ebenfalls geschehen wird. Natürlich in einem lächerlich kleinen Maßstab. Schon von den absoluten Zahlen her.

Corona mag vielleicht zwanzig oder dreißig Millionen Menschen töten (wie die Spanische Grippe).

Der „Second Worst Case“ der Klimakatastrophe kann sechs Milliarden Menschen die Möglichkeit nehmen, überhaupt zu leben.

Die rechnende Vernunft sagt:

Corona – nicht einmal 1 Prozent der Weltbevölkerung.

Klimakatastrophe – etwa 88 Prozent.

Wir erleben gerade lange Schlangen vor den Supermärkten, Hamsterkäufe und Rangeleien um die Befolgung von Vorsichtsmaßnahmen. Wir erleben eine rasante Einschränkung von Bürgerrechten. Wir erleben die teilweise Überforderung staatlicher Möglichkeiten und Mittel. Wir erleben Überlastungen der öffentlichen Infrastruktur. Wir erleben einen Zusammenbruch der Wirtschaft. Wir erleben, wie sich viele Staaten abkapseln, anstatt gemeinsam der Gefahr zu begegnen.

Was wird geschehen, wenn Lebensmittel und Wasser wirklich knapp werden, wenn Millionen Klimageschädigte nach Norden drängen, wenn Millionen Küstenbewohner ihre Städte räumen müssen?

Corona Lektionen

Und was lernen wir nicht alles mit Corona?! Dass individuelle Handlungen Folgen für andere nach sich ziehen – Folgen, die zu verantworten sind. Das gilt natürlich zu allen Zeiten, in allen menschlichen Gemeinschaften, aber jetzt, macht Corona das richtig deutlich.

Wir lernen, dass Ordnungspolitik große Veränderungen in kurzer Zeit bewerkstelligen kann.

Wir lernen, dass die Wirtschaft nicht ohne staatliche Unterstützung funktioniert.

Wir lernen Statistik! Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie war relativ niedrig, aber dass sie irgendwann auftritt wiederum recht gewiss. Jede Möglichkeit, und sei sie noch so unwahrscheinlich, kann Wirklichkeit werden (Vielleicht schaffen wir das 2° Ziel – das ist derzeit wahrscheinlicher als das 1,5° Ziel zu erreichen und wahrscheinlicher als eine 4°- 6° Erwärmung, die aber immer noch möglich ist, und sogar wahrscheinlicher wird, je näher wir den 2° kommen).

Und wir lernen die Exponentialfunktion! Das war die Sache mit dem Schachbrett. Da legt man ein Korn Reis auf das erste Feld; zwei auf das zweite, vier auf das dritte, acht auf das vierte usw. Es gibt aber nicht so viele Reiskörner auf der Erde, um das 64te Feld zu füllen. Derzeitiger Stand bei Corona in Deutschland: Etwa 14tes Feld – ein neues Feld etwa alle drei bis vier Tage. Derzeitiger Stand der Klimaveränderungen: Hohe Gefahr einer exponentiellen Zunahme von z.B. Methan mit verheerenden Folgen.

Sicher zeigt Corona uns, was im Zweifelsfall wirklich wichtig und hilfreich ist – Solidarität, aufeinander achten, füreinander sorgen, aufeinander Rücksicht nehmen, vernünftig bleiben u.v.m.

Im günstigsten Fall werden Lehren aus der Corona Erfahrung gezogen. Z.B. dass Vorsorge ein wichtigeres Prinzip ist, als Profitstreben. Dass staatliche Ordnungsstrukturen wesentlich für ein bekömmliches Miteinander sind. Dass Selbstverantwortung mindestens so wichtig ist wie Selbstverwirklichung und Solidarität. Dass es nicht nur in Krisenzeiten auf jeden und jede Einzelne ankommt, wenn es um die Zukunft geht.