Corona und Klima

Vergangenen Herbst hatte ich meinen „Holy Shit Moment“. Die erschütternde Einsicht, dass es für die sog. Rettung des Klimas zu spät ist. Ich fühlte mich zutiefst niedergeschlagen, traurig, zornig, ratlos, ohnmächtig – fast gelähmt. Dieser Zustand hielt etwa drei Monate an. Nach und nach habe ich meinen Frieden damit gefunden.

Noch ist es nicht soweit und auch wenn es ganz schlimm kommt, gibt es immer noch etwas Sinnvolles zu tun. Bis dahin lohnt sich der Kampf um jedes zehntel Grad und um die Einsicht möglichst vieler Mitmenschen.

Vor diesem Hintergrund erlebe ich jetzt die Corona Pandemie, und ich muss sagen, ich erlebe sie sehr gelassen. Natürlich habe ich Mitgefühl mit den Betroffenen – mit Kranken, Helfern und den Hinterbliebenen. Ich befürchte, dass sich die Situation noch erheblich verschlechtern wird – in Freiburg, ganz Deutschland und überall auf der Welt. Corona wurde jüngst als eine Naturkatastrophe in Zeitlupe bezeichnet.

Genau das wurde auch schon über den Klimawandel gesagt. Jetzt muss dessen Verlauf wohl als eine Ultra-Zeitlupe bezeichnet werden. Vielerorts noch kaum merklich, aber mit großer Beharrlichkeit.

Ich bin auf den Sommer gespannt. Was wird geschehen, wenn zu Corona und Quarantäne noch die Hitze und die Trockenheit kommen, die der Gesundheit ja auch nicht besonders zuträglich sind?

Anders herum könnte ich auch das Erscheinen von Corona als eine Art Zeitraffer des Klimawandels sehen. Es geschieht so ungefähr das, was mit dem Einsetzen der Klimakatastrophe ebenfalls geschehen wird. Natürlich in einem lächerlich kleinen Maßstab. Schon von den absoluten Zahlen her.

Corona mag vielleicht zwanzig oder dreißig Millionen Menschen töten (wie die Spanische Grippe).

Der „Second Worst Case“ der Klimakatastrophe kann sechs Milliarden Menschen die Möglichkeit nehmen, überhaupt zu leben.

Die rechnende Vernunft sagt:

Corona – nicht einmal 1 Prozent der Weltbevölkerung.

Klimakatastrophe – etwa 88 Prozent.

Wir erleben gerade lange Schlangen vor den Supermärkten, Hamsterkäufe und Rangeleien um die Befolgung von Vorsichtsmaßnahmen. Wir erleben eine rasante Einschränkung von Bürgerrechten. Wir erleben die teilweise Überforderung staatlicher Möglichkeiten und Mittel. Wir erleben Überlastungen der öffentlichen Infrastruktur. Wir erleben einen Zusammenbruch der Wirtschaft. Wir erleben, wie sich viele Staaten abkapseln, anstatt gemeinsam der Gefahr zu begegnen.

Was wird geschehen, wenn Lebensmittel und Wasser wirklich knapp werden, wenn Millionen Klimageschädigte nach Norden drängen, wenn Millionen Küstenbewohner ihre Städte räumen müssen?

Corona Lektionen

Und was lernen wir nicht alles mit Corona?! Dass individuelle Handlungen Folgen für andere nach sich ziehen – Folgen, die zu verantworten sind. Das gilt natürlich zu allen Zeiten, in allen menschlichen Gemeinschaften, aber jetzt, macht Corona das richtig deutlich.

Wir lernen, dass Ordnungspolitik große Veränderungen in kurzer Zeit bewerkstelligen kann.

Wir lernen, dass die Wirtschaft nicht ohne staatliche Unterstützung funktioniert.

Wir lernen Statistik! Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie war relativ niedrig, aber dass sie irgendwann auftritt wiederum recht gewiss. Jede Möglichkeit, und sei sie noch so unwahrscheinlich, kann Wirklichkeit werden (Vielleicht schaffen wir das 2° Ziel – das ist derzeit wahrscheinlicher als das 1,5° Ziel zu erreichen und wahrscheinlicher als eine 4°- 6° Erwärmung, die aber immer noch möglich ist, und sogar wahrscheinlicher wird, je näher wir den 2° kommen).

Und wir lernen die Exponentialfunktion! Das war die Sache mit dem Schachbrett. Da legt man ein Korn Reis auf das erste Feld; zwei auf das zweite, vier auf das dritte, acht auf das vierte usw. Es gibt aber nicht so viele Reiskörner auf der Erde, um das 64te Feld zu füllen. Derzeitiger Stand bei Corona in Deutschland: Etwa 14tes Feld – ein neues Feld etwa alle drei bis vier Tage. Derzeitiger Stand der Klimaveränderungen: Hohe Gefahr einer exponentiellen Zunahme von z.B. Methan mit verheerenden Folgen.

Sicher zeigt Corona uns, was im Zweifelsfall wirklich wichtig und hilfreich ist – Solidarität, aufeinander achten, füreinander sorgen, aufeinander Rücksicht nehmen, vernünftig bleiben u.v.m.

Im günstigsten Fall werden Lehren aus der Corona Erfahrung gezogen. Z.B. dass Vorsorge ein wichtigeres Prinzip ist, als Profitstreben. Dass staatliche Ordnungsstrukturen wesentlich für ein bekömmliches Miteinander sind. Dass Selbstverantwortung mindestens so wichtig ist wie Selbstverwirklichung und Solidarität. Dass es nicht nur in Krisenzeiten auf jeden und jede Einzelne ankommt, wenn es um die Zukunft geht.

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