Um es gleich zu Beginn zu sagen, „Don’t Look Up!“ hat mir gut gefallen. Eine unterhaltsame und geradlinige Geschichte, die liebevoll gemacht ist (mein höchstes Film Lob). Der Plot ist überschaubar – ein Asteroid mit Kurs auf die Erde wird entdeckt, es verbleiben etwa sechs Monate bis zum Weltuntergang. Wird es möglich sein, das zu verhindern? Kann die Menschheit gerettet werden?
Wir verfolgen die Bemühungen von Dr. Randall Mindy und seiner Doktorandin Kate Dibiasky, die Welt zu warnen. Zum Glück gibt es eine zuständige Behörde – die „Planetary Defense“ Abteilung der NASA. Der Abteilungsleiter erkennt auch sofort die Gefahr, die von dem „Planeten-Killer“ ausgeht. Gemeinsam werden sie ins Weiße Haus vorgelassen und dort beginnt nun eine Reise, die haarscharf zwischen grotesker Realität, Science-Fiction und absurder Tragödie verläuft.
Die trumpeske Präsidentin hat viel damit zu tun, Wahlen zu gewinnen, ihr Image aufzupolieren und einen Skandal wegzubügeln. Sie ist offenbar nicht in der Lage, die Bedrohung richtig einzuschätzen. Also wird die „Freie Presse“ aktiviert, um die Bevölkerung zu alarmieren. Allerdings wird die Sendung nicht genug Clicks generieren, sodass die Story nicht weiterverfolgt wird.
Dann endlich reagiert die Präsidentin doch noch und das Projekt „Rettung der Welt“ wird gestartet. Man ahnt bereits, dass es wohl eher nicht zum Happy End kommen wird, aber mehr möchte ich hier nicht verraten.
Apokalyptische Erzählungen sind sozusagen ein Dauerbrenner der Weltliteratur. Sie haben die Qualität, dem Publikum einen wohligen Schauer über den Rücken zu jagen, während es am warmen Lagerfeuer zuhört. Wenn die Geschichte zu Ende erzählt ist, kann man sich erleichtert umarmen und daran erfreuen, dass es noch nicht soweit gekommen ist.
In den letzten Jahren wird der Begriff der Apokalypse auch gerne in der Klimadiskussion verwendet. Dort stößt er dann auf heftigen Widerspruch von Klimawissenschaftler*innen und Politiker*innen – ja, es mag schlimm werden, aber eine Apokalypse drohe der Menschheit nicht – heißt es dann. So schlimm werde es schon nicht werden, denn schließlich werde ja bereits etwas getan und klar, wir können das noch schaffen. Außerdem wirke die Befürchtung vor der Apokalypse lähmend auf die Bevölkerung, sie werde alle Hoffnung verlieren und ihren Alltag aufgeben – so in etwa lautet der Tenor der Apokalypse Skeptiker.
Es wurde ja schon viel darüber gesagt und geschrieben, dass „Don’t Look Up“ ein Gleichnis auf den Umgang mit der Klimakatastrophe sei und auch die Ähnlichkeiten mit den Corona Diskussionen sind augenfällig. Das ganze Spektrum von Reaktionen auf diese realen Gefahren sind im Film zu sehen – nicht ernst nehmen, verleugnen, verharmlosen, aufschieben, lächerlich machen, für verrückt erklären, ungeeignete Maßnahmen ergreifen, Feinde benennen und bekämpfen …
Und auch die andere Fraktion – die aufgeklärten Menschen, wenn man so will – wird eindrucksvoll in Szene gesetzt – der Schock, der Schrecken, Übelkeit, Angst, Zorn, Unglauben über die Reaktion der Verleugner und auch Resignation und Depression. Wer sich intensiver mit den Bedrohungen durch den Klimawandel auseinandergesetzt hat, wird das kennen.
Sehr schön sind auch die quasi-realen Machtverhältnisse inszeniert – ein Staatsoberhaupt ohne Orientierung, Medienmacher auf der Jagd nach Sensationen, Tech-Fantasten mit überdrehten Ideen und viel Geld. Alle kreisen in ihren Ego-Tunneln um ihre Größenfantasien, die sie für die Realität halten. Aber unseligerweise besitzen sie tatsächlich die Macht, über Dinge zu entscheiden, die für sehr viele andere Menschen eine neue Realität zu werden droht. Ich kann mich schwer entscheiden, ob ich die Filmgeschichte oder die politische Realität für absurder halte.
Aber zurück zur Apokalypse, zur Aufdeckung und Enthüllung dessen, wohin die Geschichte der Menschheit unterwegs ist. Der derzeitige Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre hat bei letzter Gelegenheit (vor ca. 15 – 17 Mio Jahren*) zu Durchschnittstemperaturen geführt, die mindestens drei Grad (evtl. fünf Grad) höher waren als heute. Für mich entspricht das der Entdeckung eines Asteroiden, der allerdings nur in Schneckentempo vorankommt. Alles Prima! Könnte man sagen, da haben wir ja noch eine Menge Zeit, um Lösungen zu finden.
Aber tatsächlich wird vorwiegend Symbolpolitik betrieben. Da wird das Klimaziel von Paris gefeiert und nicht eingehalten, da werden neue Technologien hochgejazzt, die mit dem Problem nur am Rande zu tun haben, da wird an die internationale Solidarität appelliert und nebenbei aufgerüstet und natürlich wird die engagierte Jugend gelobt und weiter vertröstet – es wirkt mindestens so grotesk, wie im Film.
Es scheint inzwischen fast unmöglich, den Ausstoß von Kohlendioxid schnell genug zu vermindern, so dass flugs ein Budget erfunden wurde, mit dem man es noch ein paar Jahrzehnte länger emittieren kann. Ein Teil des Problems ist, dass CO2 recht lange in der Atmosphäre verbleibt**. Ein anderer Grund für die Dringlichkeit ist der Umstand, dass „Big-Oil“ sehr erfolgreich die Ankunft des Klima-Asteroiden verschleiert hat – so erfolgreich, dass dreißig bis fünfzig Jahre lang so gut wie nichts gegen die Gefahr unternommen wurde – das kann ein Film kaum toppen!
Im Fall der Klimakatastrophe wird es nicht „Knall“, „Rumms“ und „Peng“ machen, wie beim Asteroiden. Die Veränderungen verschieben allmählich die Klimazonen, Extremwetterlagen werden häufiger, Ernten gehen Zugrunde, langsam steigt der Meeresspiegel und die Permafrostböden tauen jeden Sommer etwas mehr auf … – und dann, irgendwann (vielleicht schon jetzt) ist ein Kipppunkt erreicht, von dem aus es kein Zurück mehr geben wird. Dann werden wir wohl Szenen wie im Film erleben. Die Mächtigen und Reichen müssen mal dringend aufs Klo und verpissen sich in ihre bereits heute fertiggestellten Fluchtoasen.
Wie tief der „Impact“ der Klimakatastrophe werden wird, lässt sich Stand heute nicht vorhersagen. Dass er womöglich keinen Stein auf dem anderen lassen wird, erscheint, wenn auch nicht wahrscheinlich, so doch als durchaus möglich. Wollen wir das wirklich riskieren? Vielleicht sollten wir auch aufhören, uns vorzumachen, dass wir „es schaffen könnten“. Vielleicht sollten wir lieber damit beginnen, uns Gedanken über die notwendigen Metamorphosen zu machen, die eine zukünftige Menschheit ermöglichen könnten.